„Es kommt für Sie darauf an zu durchschauen, was das Menschenwesen eigentlich ist.“ Mit diesem Appell beginnt der 7. Tag des Lehrerkurses. Im weiteren Verlauf werden die Kursteilnehmenden sich auf das geistige Wesen des Menschen mit seinen Bewusstseinszuständen von Wachen, Träumen und Schlafen sowie den entsprechenden Seelenkräften Denken, Fühlen und Wollen in ihren Bezügen zueinander richten. Sie werden sich am späteren Vormittag mit dem Entwicklungsschritt des Kindes um das 9./10. Lebensjahr und der Bedeutung des ersten Biologieunterrichts beschäftigen, der den Menschen betrachtet als Hintergrund für das Erfassen der Tierwelt, vor allem in seiner Gestalt. Welche Tiere und auf welche Weise sie den Kindern dargestellt werden sollen, stellt einen hohen Anspruch an das künstlerische und sprachliche Vermögen der Lehrpersonen. Ob dabei der Mensch als Vergleichsgrund dem Lehrenden präsent ist, hat einen Einfluss auf die Moralität der Schüler. Damit geht die Bedeutung dieses Unterrichts weit hinaus über das bloße Kennenlernen oder Wissen von Tieren. Am Nachmittag schließlich tauchen die angehenden Waldorflehrkräfte nach den Sprachübungen und dem Erzählen/Lesen einer Fabel mit den Kreuzzügen in die Geschichte des europäischen Mittelalters ein, die R. Steiner als Beispiel wählt für die Erarbeitung eines historischen Gebiets: Grundzüge erkennen, polar wirkende Kräfte oder Bilder und immer wieder anschauliche Schilderungen bilden die Aufgaben des Lehrers auf diesem Feld. Abschließend wird dann eine der im Sozialen wirksamen Fragestellungen besprochen, wie mit dem Schwärmen eines/r Schülers/in für den Lehrer/in umzugehen ist.
Wie stellen sich diese Inhalte heute dar? Wie viele unserer Kollegen beschäftigen sich heute mit der lebendigen Frage nach dem Menschenwesen? Wie kann man den Menschen, den man in unserer Zeit als Natur und die Erde zerstörend wahrnimmt, als den Angelpunkt des Lebendigen vermitteln? Welche Fähigkeiten brauchen die Klassenlehrer, um die Inhalte so darzustellen, dass schon aus der Darstellung, das Wesen des Behandelten hervortritt? Woher nehmen wir Klassenlehrer als Laienhistoriker oder Laienbiologen im durchgetakteten Alltag die Zeit, uns den Überblick über die Tatsachen und Grundzüge des zu behandelnden Stoffes so anzueignen, dass wir ihn in lebendiger Anschaulichkeit darstellen können? Viele Fragen zur weiteren Beschäftigung mit diesen Themen...
Susanne Speckenbach, Studium der Germanistik, Slavistik, Skandinavistik und Philosophie, Promotion. Zunächst Russischlehrerin, dann Klassenlehrerin mit Musik und freiem Religionsunterricht in Freiburg, Deutschland.
* Der 'Erste Lehrerkurs' ist die Grundlage der Waldorfpädagogik mit Mitschriften zu Rudolf Steiner's Vorträgen: 'Allgemeine Menschenkunde', 'Methodisch-Didaktisches' und 'Seminarbesprechungen'.