Zusammenfassung
Warum stört man sich so an der Anthroposophie Rudolf Steiners? Könnte es daran liegen, dass er einen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit für die Anthroposophie formuliert hat? In dem Medizinerkurs, gehalten vom 26. bis 28. Oktober 1922 ruft Rudolf Steiner seinen Zuhörern zu: «Und um die Wissenschaft auch im Sinne geisteswissenschaftlicher Anthroposophie vollständig zu machen auf irgend einem Gebiete, dazu ist nicht etwa ein Hinwegräumen des sinnenfällig Empirischen statthaft, sondern es ist durchaus ein Rechnen mit dieser sinnenfälligen Empirie notwendig. …. Dasjenige, was man zunächst bekommt aus der Geisteswissenschaft heraus, das sind Richtlinien für empirische Forschung.» [Steiner GA 314, S. 80].
Steiner hat dann nicht nur Immenses in seiner Weise geisteswissenschaftlich erforscht und vorgearbeitet, dessen Durchdringung wir noch weitenteils vor uns haben. Er hat uns auch einen hohen Anspruch hinterlassen: In beiden Feldern, dem Sinnlichen und dem Übersinnlichen gilt es eine präzise Wahrnehmung, also Empirik mit dem erkennenden Verstehen zu durchdringen. Beide Seiten und ihre Zugänglichkeiten lassen sich nicht gegeneinander ausspielen, auch nicht jeweils ersetzen. Sie ergänzen sich. Dabei ist die Schulung von Beobachtung und Denken, wie sie die Naturwissenschaften entwickelt haben eine gute Voraussetzung für die Betätigung der Geisteswissenschaft im Steiner‘schen Sinne. Daher sein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Manche sagen, das sei schwer. Quantensphysik ist auch schwer.
Der Aufsatz zeichnet anhand vieler biographisch angeordneter Zitate Steiners seinen Umgang mit den Naturwissenschaften nach. Als Grundfrage könnte man sehen: Wie können wir den Dualismus von Wahrnehmen und Begriff überwinden? Die Lösung für Steiner war, Goethes Weltzugang zu entdecken. Unsere Aufgabe ist es, diese Trennung von Ich und Welt wieder zu überwinden. Dabei können wir sauberes wissenschaftliches Beobachten und Denken von den Naturwissenschaften lernen. Indem wir goetheanistisches Arbeiten, üben, führen wir unser dualistisches Bewusstsein wieder zu einem Monismus. Dazu gehört heute z.B., dass wir in unser Bewusstsein, in unsere Gefühle aufnehmen, dass wir eines sind mit der Erde und dem Kosmos. Das sollte unser zukünftiges Lebensgefühl werden.
Schlüsselwörter: Goetheanismus, Wissenschaftlichkeit, Empirie, Anthroposophie