Nachdem er sich in den ersten Tagen dieses Kurses intensiv mit der Natur der Erkenntnis und des Willens beschäftigt hat, kommt Rudolf Steiner am 5. Tag zum Gefühl. Indem er zuerst mit den Polaritäten und dann mit dem, was sie harmonisiert, arbeitet, offenbart er einen kraftvollen pädagogischen Prozess. Man entdeckt, dass die Gefühlswelt, die er nun in unser Bewusstsein bringt, bereits in unserer inneren Vorstellung vorhanden war, unsichtbar zwischen den Gegensätzen gewebt.
So kommen wir in gewisser Weise zum Kern dieser Erziehung, die das Gefühl als einen zentralen Prozess des Verstehens, aber auch der fundierten Beurteilung und Erinnerung anerkennt. Damit der Inhalt unseres Unterrichts lebendig wird, müssen wir die Gefühle der Schüler einbeziehen. Und damit dies geschieht, müssen wir selbst es bereits in unseren eigenen Herzen und in unserem Atem spüren.
In den entsprechenden Vorträgen in Methodisch Didaktisches und Seminarbesprechung begegnen wir der ausgleichenden Rolle des Gefühls in der Sprache und bei der Arbeit mit den Temperamenten von Kindern. Auch das werden wir untersuchen.
Mit diesem ganzheitlichen Ansatz kann man durch das eigene Denken und Fühlen die Wahrheit von Steiners wiederholter Aussage erkennen, dass das Herz keine Pumpe, sondern im Gegenteil ein Organ äußerster Selbstlosigkeit ist, das kontinuierlich Gesundheit und Gleichgewicht in unser irdisches Leben bringt. Als Lehrer müssen wir das im Detail durchdenken, um selbst zu erkennen, wie umfassend der Mensch in den gesamten kosmischen Prozess integriert ist. Diese mächtigen Vorträge geben uns immer wieder Einblicke in dieses Thema, jedes Mal aus einer anderen Perspektive. Unser Verständnis davon wird zur Grundlage für eine wirklich menschliche Bildung.
Benjamin Cherry, MA, 1st MB, Dip Ed, beschäftigt sich seit 42 Jahren mit der Waldorfpädagogik und lehrt seit mehr als zwei Jahrzehnten als Klassenlehrer und Gymnasiallehrer in Australien. Er ist viel in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika gereist und hat an vielen Orten Schulen besucht oder unterrichtet. Er ist mit der Waldorfbewegung in Taiwan seit ihrem Beginn vor 19 Jahren und auf dem chinesischen Festland seit der Eröffnung der ersten Schule vier Jahre später verbunden. Während er noch in Australien unterrichtete, besuchte er regelmäßig Schulen und Lehrerbildungszentren in Thailand, Japan und Südkorea sowie gelegentlich in Indien, Nepal und den Philippinen. Er war 7 Jahre lang Koordinator des China Waldorf Forums und unterstützt nach wie vor viele Schulen und Kurse in der Region.
Übersetzung: Katharina Stemann
* Der 'Erste Lehrerkurs' ist die Grundlage der Waldorfpädagogik mit Mitschriften zu Rudolf Steiner's Vorträgen: 'Allgemeine Menschenkunde', 'Methodisch-Didaktisches' und 'Seminarbesprechungen'.