Zunächst sollte klargestellt werden, dass es einen weltweit gültigen und unveränderlichen Waldorflehrplan nicht gibt.
Stattdessen gibt es viele Lehrpläne, die von ihren Merkmalen her ‘Waldorf’ sind, zum Beispiel das Buch Educational Tasks and Content of the Steiner Waldorf Curriculum(auf Deutsch: Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule). Nach meinem letzten Stand wurde dieses Buch in 18 Sprachen übersetzt.
Dieses Buch aus dem Jahr 2000 war ein Versuch, die Grundlagen der Waldorfpädagogik darzustellen, so dass Menschen von in- und außerhalb der Waldorfwelt und insbesondere des öffentlichen Bildungsbereichs die Pädagogik verstehen können.
Zum einen verwendet das Buch allgemein gebräuchliche Begrifflichkeiten und erklärt alle Schlüsselbegriffe. Zum anderen beschreibt es typische Praktiken, die ‚Waldorfexperten’ als repräsentativ ansahen. Mit Praktiken ist gemeint, was und wie unterrichtet wird und warum. Es soll nicht verschwiegen werden, dass andere ‚Waldorfexperten’ nicht immer mit unseren Vorschlägen einverstanden waren. Deshalb wurden sie möglichst offen mit ein paar Beispielen formuliert und es wurden konkrete Anweisungen vermieden wie „in Klasse 5 muss man dies oder das unterrichten“. Dieses Buch ist nicht vor- sondern be-schreibend.
Die frühen Waldorfkurrikula bezogen sich auf Steiner’s Vorträge und Diskussionen mit den Lehrern der ersten Stuttgarter Waldorfschule, zusammengetragen von Karl Stockmeyer oder Caroline von Heydebrandt. Der Lehrplan, der in frühen Jahren an Waldorfschulen verwendet wurde, fußt auf Empfehlungen von Steiner und auf Praktiken, die sich in dieser Zeit entwickelt haben. So hat sich allmählich ein sogenanntes ‚Gerüst an Waldorfwissen’ gebildet. Das wurde oft wie ein Kanon benutzt, besonders wenn es in andere Länder und Sprachen übersetzt wurde. Dieses Wissensgerüst hat häufig einen Art orthodoxen Status erreicht, so dass es zur Grundlage dafür wurde ‚wie man es macht’ und von dem man annahm, dass jedes Detail bedeutend und unveränderlich sei.
Welche Funktion haben dann die Beispiele im Lehrplan? Viele sind wunderbare Ideen, die seit Jahrzehnten verwendet werden und anscheinend die gewünschte Wirkung erzielen. Rüdiger Iwan, ein deutscher Waldorflehrer, der ein kritisches Buch über Waldorfpädagogik geschrieben hat (1), nennt es das ‚Holzlöffel-Prinzip’. Er bezieht sich auf die Idee, die heute an den meisten Waldorfschulen zum Standard geworden ist, nämlich als erste Übung im Werkunterricht einen Holzlöffel zu schnitzen. Offenbar hat Steiner die Werklehrer an der ersten Waldorfschule gefragt, was Kinder Nützliches machen könnten. Die Lehrer haben daraufhin einen Löffel vorgeschlagen und Steiner hat dem Vorschlag zugestimmt. Steiners Antwort kann so gedeutet werden, dass dies die finale Lösung oder wie Iwan vorschlägt, eben nur eine gute Lösung neben vielen anderen war.
Dies zeigt in aller Kürze, wie problematisch die Vorstellung von einem endgültigen Waldorflehrplan ist. Was in einer Situation gut ist, gilt nicht für andere. Nur weil die Kinder in Deutschland lernen, mit Wolle zu stricken, kann das nicht für andere Länder gelten, wo es unter Umständen gar nicht üblich ist, mit Wolle zu stricken (sondern vielleicht mit Baumwolle). Und manche Ideen waren nie gut: wenn Kinder in Waldorfschulen lernen, gemeinsam Blockflöte zu spielen. Musiklehrer an westlichen Waldorfschulen behaupten aber seit Jahren, dass das Spielen in Blockflötengruppen völlig unmusikalisch ist. Heißt das, dass alle Kinder von der ersten Klasse an Blockflöte spielen sollten? Wieder andere Ideen waren zwar sehr gut, müssen deswegen aber nicht zum allgemeinen Standard werden. So schreibt Christof Wiechert, dass die Idee eines rhythmischen Teils im Hauptunterricht gar nicht von Steiner ist und, obschon er sie manchmal nützlich findet, nicht verbindlich für jede Stunde gelten sollte.
Woher sollen Waldorflehrer also wissen was richtig ist? Die Herausforderung der Waldorfpädagogik war von Anfang an, jeweils vor Ort einen Lehrplan zu entwickeln, ihn umzusetzen, ihn kritisch zu hinterfragen und ihn dann anzupassen.
Waldorfpädagogik: ein ständiger Kreislauf und immer wieder neu
Auf dem Elternabend am 13. Januars 1921 rechtfertigte Steiner die Autonomie der Lehrer damit, dass nur diejenigen, die die Kinder wirklich kennen und mit ihnen pädagogisch arbeiten, eine wirklich spirituelle Verbindung zu ihnen haben können und in der Lage sind, ihr Lernen und ihre Bedürfnisse gewissermaßen zu lesen. Daher müssen die Lehrer ihren Unterricht und das Lernen der Kinder ständig hinterfragen. „Und wir haben selbst in der Zeit, in der wir gewirkt haben, von Monat zu Monat sorgfältig geprüft, wie unsere Grundsätze, unsere Kunstregeln bei den Kindern wirken. Und in den folgenden Jahren wird manches schon unter anderen Gesichtspunkten, unter vollkommeneren Gesichtspunkten sich vollziehen als im vorhergehenden. Und so möchten wir gerade aus einem unmittelbaren Leben, wie das nicht anders sein kann, wenn es aus geistigen Untergründen heraus fließt, diese Schule leiten.“ (2)
Wenn wir diese Aussage genau betrachten und in unsere heutige Sprache übersetzen, könnte man sagen: Waldorfschulen praktizieren eine Art kollegiale Schulleitung. Mithilfe der Kriterien der Waldorfpädagogik evaluieren die Lehrer ihr Handeln. Dies führt bei den Lehrern zu einem ständigen Lernprozess und zu einer Qualitätsentwicklung. Dies geschieht auf ganzheitliche Weise, indem die Grundwerte und die wesentlichen Prinzipien der Waldorfpädagogik zur Orientierung genutzt werden. Im Folgenden soll untersucht werden, welches diese Kriterien sein könnten.
Neue Waldorflehrer werden an die Praxis ihrer Waldorfschule von ihren erfahreneren Kollegen herangeführt. Dabei ist der Lehrplan ein wesentlicher Teil dieser Praxis und Anfänger sind gut beraten, diese Quelle auch zu nutzen. Dagegen werden erfahrene Lehrer ihren Unterricht und besonders den Lernerfolg ihrer Schüler ständig überprüfen. Die Waldorfpädagogik hat oft die Unterrichtspraxis und die Entwicklung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt gestellt, dabei aber ebenso oft die Evaluation von Unterricht und Lernerfolg allgemeiner auch über Klassen und Fächer hinweg vernachlässigt, obschon dafür Leitlinien im sogenannten „Yellow Book“ [Anm.d,Red.: „internationaler“ Lehrplan für Waldorfschulen] zur Verfügung stehen und diese auch weiterentwickelt wurden. (3)
Auch wenn die Qualität des Lernens generell gut ist, bedeutet dies nicht, dass sie nicht besser sein könnte. Zum Beispiel könnten mehr Schülern ein tieferes Lernen ermöglicht werden, auch dass sie bei Bedarf das Lernen verändern können. Ferner sollten alle dazu auffordert werden, ihre Potenziale voll auszuschöpfen. Daraus entwickelt sich ein Lehrplan, der sich gemäß der Situation verändern darf und in hohem Maße davon abhängig ist, wie er unterrichtet wird.
Der Erziehungswissenschaftler John Hattie macht in seinem Buch „Visible Learning for Teachers“ (4) deutlich, dass die Qualität des Lernens am stärksten davon abhängt, in welchem Maße den Lehrern bewusst ist, welches die Auswirkungen ihres Unterrichtens (einschließlich ihrer Persönlichkeit) auf den Lernprozess der Schüler sind und die Lernenden ihren eigenen Lernprozess verstehen lernen. Dies deckt sich in Vielem mit Steiners Empfehlungen.
Eher Lehrplan als Normierung
Heutzutage legen die Schulcurricula ihren Fokus im Wesentlichen auf messbare Lernerfolge. Diese finden sich in staatlichen Kurrikula normalerweise als Kenntnisse und Fähigkeiten, oft Kompetenzen genannt, die am Ende der Schulzeit von den Schülern erwartet werden, so dass sie zur modernen globalisierten Wissensökonomie beitragen können oder in anderer Weise an die bestehenden Gesellschaften angepasst sind. Die meisten Bildungsstandards gründen sich auf Lese- und Rechenfähigkeit, Naturwissenschaften und Informations- und Kommunikationstechniken. So bedeutend diese Fähigkeiten natürlich sind, werden die wichtigen Beiträge der Persönlichkeitsentwicklung sowie interkulturelle Fähigkeiten, Urteilsvermögen und ethische und demokratische Fähigkeiten zur Gemeinschaftsbildung übersehen.
Nach Professorin Martha Nussbaum (5) fußt die moderne Erziehung zu verantwortungsvoller gesellschaftlicher Teilhabe darauf, Kindern und Jugendlichen Zugang zu drei wichtigen Qualitäten zu ermöglichen: kritische Urteilskraft, Weltbürgerschaft und Einfühlungsvermögen. Kritische Urteilskraft bedeutet, als freies Individuum bewusst und verantwortlich im Sinne der Sachlage zu handeln. Weltbürgerschaft ist die Fähigkeit von Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, in gegenseitigem Respekt tolerant und friedlich zusammenzuleben. Narratives Einfühlungsvermögen schließlich ist die Fähigkeit, die Welt aus der Perspektive einer anderen Person wahrzunehmen und buchstäblich die Geschichte des anderen verständnisvoll erzählen zu können.
Nussbaum und die Nobelpreisträgerin Amarthya Sen haben etwas entwickelt, das sie die Chance zur menschlichen Verwirklichung (6) nennen, indem sie die Grundvoraussetzungen skizzieren, die die Menschen in die Lage versetzen, aktiv zum gesellschaftlichen Fortschritt beizutragen. Für diese Ziele, versucht die Waldorfpädagogik einen pädagogischen Kontext zu schaffen.
In der Wissenschaft (7) ist man sich einig, dass die junge Menschen heute als Fähigkeit lernen müssen, sich in einer neuen Wirtschaftsordnung und einem fragmentierten Sozialleben zurechtzufinden. Das heißt, sie lernen stabile und kohärente Identitäten über verschiedene Lebenssituationen hinweg in sich schnell verändernden sozialen Zusammenhängen aufzubauen. Um sich aber zurechtzufinden, ist es nötig, dass man sich selbst in der Welt verortet, einmal bezogen auf sich selbst, auf andere und auf die ganze Welt.
Die moderne Erziehung ist häufig schon in sehr frühem Alter auf Wettbewerb aus. Der kindliche Antrieb zu lernen wird darauf reduziert, gute Noten zu erreichen, Prüfungen zu bestehen, Preise zu bekommen und so viele Qualifikationen wie nur möglich anzusammeln.
Folgt man der Forschung von Professor Stephen Ball (8) ist das Erziehungssystem weltweit ein großes Geschäft, das von Vereinheitlichung, Präsentierbarkeit, Überwachung und Verwaltung geprägt ist. Der Psychotherapeut Paul Verhaeghe (9) drückte es so aus: eine Solidarität die auf Konkurrenz basiert gibt es nicht und wir dürfen uns nicht wundern, wenn unsere Schüler fragen: was bringt es wenn ich das mache? Wie viele Punkte bekomme ich dafür?
Die Eigenschaften eines Waldorflehrplans
Ein Lehrplan, welcher die Grundlagen der Waldorfpädagogik widerspiegelt, kann als Waldorflehrplan bezeichnet werden. So ein Waldorflehrplan hat auf besondere Art und Weise die Aufgabe, Kinder und Jugendliche auf die Herausforderungen der Welt vorzubereiten. Er nennt Erfahrungen, Aktivitäten, Themen, Erzählstoff und Phänomene, die Kindern und Jugendlichen Lernzusammenhänge bieten, in denen sie sich selbst formen und bilden, ihre Fähigkeiten schulen und ihre Gefühle entwickeln können. So lernen sie, ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt und anderen Menschen neu zu definieren und vor allem neue Ideen zu entwickeln. Statt schon festliegende Ergebnisse zu liefern, die oft Schritt für Schritt vorgegeben sind und wenig Raum lassen für kreativen Unterricht, ermöglicht der Waldorflehrplan ein umfassendes, integriertes und ganzheitliches Lernen und eine Entwicklung, welche den ganzen Menschen einschließt.
Diese Erfahrungen werden mit solchen Lernmethoden vermittelt, die dem Entwicklungsalter des Lernenden entspricht. Ein Waldorflehrplan vermeidet es, Ergebnisse zu detailliert festzulegen, weil diese Ergebnisse überhaupt nicht vorhergesagt werden können, hat doch jeder einzelne Mensch seinen ganz eigenen Zugang zur Welt. Natürlich ist es angemessen und pädagogisch geboten, dass Lehrer wissen, was ihre Schüler mindestens erreichen sollten und auch können. Darüber hinaus sollten die Schüler auch wissen, was von ihnen erwartet wird. Und man sollte ihnen helfen, zu erkennen, ob und wie sie ihr Lernpotential ausschöpfen können und welche Mindestanforderungen wichtig sind. Wenn sie dieses Niveau noch nicht erreichen können, brauchen sie Unterstützung. Es macht aber einen großen Unterschied, ob es Standardlernziele gibt, die so hoch sind, dass einige oder sogar viele an ihnen scheitern müssen, oder einem jeden Menschen oder einer Gruppe gezeigt wird, was sie erreichen können und wie sie das machen sollen.
Leistungsforderungen sollten für jeden erreichbar sein, deshalb müssen sie individuell zugeschnitten sein. Die zentrale Botschaft für die Schüler ist: Kannst du es besser als bisher? Die Waldorfpädagogik unterstützt kein Klima des Wettbewerbs mit Gewinnern und Verlierern, aber wir schätzen echte und sinnvolle Leistung.
Steiner nennt zwei zentrale Aussagen beim Thema Bildungsabschlüsse:
„Nicht gefragt soll werden: Was braucht der Mensch zu wissen und zu können für die soziale Ordnung, die besteht; sondern: Was ist im Menschen veranlagt und was kann in ihm entwickelt werden? Dann wird es möglich sein, der sozialen Ordnung immer neue Kräfte aus der heranwachsenden Generation zuzuführen. Dann wird in dieser Ordnung immer das leben, was die in sie eintretenden Vollmenschen aus ihr machen; nicht aber wird aus der heranwachsenden Generation das gemacht werden, was die bestehende soziale Organisation aus ihr machen will.“ (10)
„Die Fähigkeiten, die in dem Menschenkinde heranwachsen, werden der Gemeinschaft wirklich übermittelt werden, wenn über ihre Ausbildung nur zu sorgen hat, wer aus geistigen Bestimmungsgründen heraus sein maßgebendes Urteil fällen kann. Wie weit ein Kind nach der einen oder der andern Richtung zu bringen ist, darüber wird ein Urteil nur in einer freien Geistgemeinschaft entstehen können. Und was zu tun ist, um einem solchen Urteil zu seinem Recht zu verhelfen, das kann nur aus einer solchen Gemeinschaft heraus bestimmt werden.“ (11)
Natürlich fühlen sich die Waldorfschulen auch verpflichtet, dass die Schüler die Kulturtechniken und Fähigkeiten erwerben, die es ihnen ermöglichen, zu lernen und an der Gesellschaft teilzuhaben wie auch Prüfungen zu bestehen. Dies schließt den Zugang zu Literatur jeglicher Art und die Fähigkeit, sich in Wort und Schrift ausdrücken zu können ein, ebenso wie den Umgang mit Zahlen und Zahlenwerten, die Verwendung entsprechender Hilfsmittel und die Beherrschung von Fremdsprachen. So beschreibt das „Yellow Book“ für jede Klassenstufe bis zur Klasse 8 die Lernziele in den jeweiligen Wissensgebieten. Natürlich sind dies nicht die einzigen Lernziele, sondern schlicht diejenigen, die zur Kommunikation und zur schulischen Arbeit in den verschiedenen Fachbereichen benötigt werden und realistischerweise überprüft werden können. Wir wissen, dass jedes Fach, das an einer Waldorfschule unterrichtet wird, jedes Projekt und jede praktische Aufgabe den Kindern und Jugendlichen hilft, ihre Persönlichkeit ganzheitlich zu entwickeln (Prinzip Kopf, Herz und Hand).
Auf diese Weise beschreibt der Waldorflehrplan seine Fächer, Erfahrungen und Themen, die der Entwicklung der Schüler helfen. Es macht aufmerksam auf die wichtigen Fragen im Zusammenhang mit diesen Themen und stellt die notwendigen Kriterien für deren Auswahl zur Verfügung. Daher bietet das Kurrikulum allen Schülern etwas, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Interessen, Stärken oder Schwächen oder ihrer Herkunft. So betrachtet ist es eher umfassend als spezifisch; was aber jeder Einzelne aus ihm macht, ist völlig individuell und spezifisch.
Der Waldorflehrplan geht auf die sich ändernden Entwicklungszusammenhänge ein
Der französische Philosoph und Lehrer Michel Serres (12) hat behauptet, dass die Veränderungen innerhalb der jüngsten Generation ebenso dramatisch und weitreichend waren wie die, die mit der neolithischen Revolution einhergingen, als sich die menschlichen Gesellschaften von nomadischen Jägern und Sammlern wandelten zu sesshaften Bauern und schließlich zu Stadtbewohnern. Die digitale Technologie und Internetkommunikation löste eine Revolution aus, die gerade beginnt, weltweit alles zu verändern.
Für den deutschen Soziologen Ulrich Beck entstand so eine ‘Risikogesellschaft’ (13), die durch einen Individualisierungsprozess charakterisiert wird. Das bedeutet, dass das Individuum nicht länger in sichere und vorhersagbare Strukturen eingebettet ist, sondern zunehmend auf sich selbst zurückgeworfen wird und von anderen, die nun eher Konkurrenten um Arbeitsplätze als Mitglieder der gleichen sozialen Schicht oder einer Gemeinschaft mit sozialer Solidarität sind, wenig Hilfe erwarten können.
Für Michel Serres waren beinahe alle sozialen Institutionen dazu gedacht, ganz besonders aber Bildungseinrichtungen, die Bedürfnisse einer vergangenen kulturellen Ära zu bedienen und sind damit nun obsolet (wären aber die letzten, die das auch erkennen würden). Waldorfschulen sollten die Ausnahme dieser Regel sein.
Wie antwortet die Waldorfpädagogik auf diese sich wandelnden Bedingungen?
Die Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, haben sich also radikal verändert. Welche Konsequenzen hat das für die Waldorfpädagogik?
Die menschliche Entwicklung von der Geburt bis ins Erwachsenenalter und darüber hinaus ist eine komplexe Mischung aus ererbten, genetischen, sozialen, kulturellen und individuellen Faktoren, die sich wechselseitig beeinflussen. Allein diese Tatsache bedeutet, das Individuen verschieden sind. Nicht alles kann auf die Biologie, den familiären Hintergrund und den sozialen oder ökonomischen Status geschoben werden. Alle diese Faktoren müssen berücksichtigt werden und sollten weder ignoriert noch heruntergespielt werden, insbesondere solche nicht, die auf soziale Ungerechtigkeit zurückzuführen sind.
Zweifellos sehen sich Kinder und Jugendliche je nach Alter und bezogen auf ihre Entwicklung unterschiedlichen Herausforderungen gegenüber. Manche haben biologische Gründe wie zum Beispiel die Körpergröße oder die Reife. Wir leben in einem Körper, und wenn dieser Körper sich verändert, ändert sich auch unser Verhältnis zu diesem Körper, zu unserem Selbst und zur Welt um uns. Man denke nur an die Veränderungen in der Pubertät. Individuen begegnen diesen biologischen Veränderungen auf unterschiedliche und oft sehr eigene Weise.
Aber wir sind auch soziale Wesen und das bedeutet, dass die Art, wie wir in sozialer, kultureller und individueller Hinsicht auf biologische Veränderungen reagieren, unterschiedlich ist. Es ist beispielsweise bekannt, dass einzelne Familienmitglieder anders auf das erstgeborene Kind reagieren als auf die späteren Geschwister und dies deren Entwicklung beeinflusst. In vielen Kulturen unterscheidet sich die Haltung gegenüber Jungen und Mädchen, ganz zu schweigen von anderen Sichtweisen auf ethnische oder religiöse Hintergründe, bezüglich sozialem Status oder unterschiedlichem Wohlstand der Familien. Der Eintritt der Pubertät ist, obschon er offensichtlich ein biologischer Prozess ist, auch von sozio-ökonomischen Faktoren geprägt. Wir können dies an dem Alter sehen, in dem bei den Mädchen die Menstruation einsetzt. Dies geschieht in Europa heute früher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In Nordeuropa begann die Pubertät in den 1920er Jahren später als in Mittel- und Südeuropa. Und auch heute noch gibt es signifikante Unterschiede zwischen sogenannten „entwickelten“ und „sich entwickelnden“ Ländern.
Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Früher Kindheit, Kindheit und Adoleszenz unterscheiden sich in den verschiedenen Gesellschaften und Kulturen und im Verlauf der Zeit beträchtlich. Um 1900 wurde selbst in Europa die „Jugend“ als eigene Entwicklungsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein kaum wahrgenommen, während sie von heutigen Soziologen als eigene Phase beschrieben wird. In westlichen postindustriellen Gesellschaften wird die Jugend als die Zeit zwischen 10 und 26 Jahren angesehen. Das liegt daran, dass sich die Strukturen der Allgemeinbildung verändert haben. Die Arbeitswelt unterscheidet sich sehr von der vor nur zwei Generationen. Die Übergänge zwischen den Lebensphasen sind unscharf mit mehr Überlappungen. Deutlich mehr Frauen haben Zugang zu akademischer Ausbildung und beruflichen Karrieren als in früheren Generationen. Es gibt einen radikalen Wandel in der allgemeinen Akzeptanz unterschiedlicher Lebensformen und sexuellen Verhaltens.
Dies sind nur einige wenige Bespiele, die zeigen, dass die Lebensabschnitte kulturelle Konstrukte sind und biologische Prozesse weit überlagern. Daher ist es von Bedeutung, die lokalen Faktoren, die die Entwicklung beeinflussen, zu verstehen.
Während die Waldorflehrpläne darauf ausgerichtet sind, den Entwicklungszielen einer jeden Altersgruppe gerecht zu werden, variieren diese Ziele je nach sozialem und kulturellem Kontext und biologischer Reife, die viele individuelle Unterschiede aufweist. Wenn wir alle Faktoren die zum Lernen und zur Entwicklung beitragen, berücksichtigen, wie zum Beispiel physische Faktoren (z.B. die Motorik), Sprachkompetenz, soziale Kompetenz, emotionale Reife, praktische Fähigkeiten, kognitive Leistungsfähigkeit usw., tut sich eine große Spannweite innerhalb des normalen Spektrums auf.
Der Schweizer Professor für die kindliche Entwicklung Remo Largo (14) hat die durchschnittliche Spannbreite zwischen Kindern mit normaler Entwicklung im Schuleintrittsalter von 6 Jahren auf eine Spanne von drei Jahren ermittelt. Im Alter von 14 Jahren (Klasse 8) betrug die Spanne 5 Jahre. So gibt es also keine bestimmte und allgemeingültige Entwicklungsbahn und daher auch keine Eins zu Eins- Übereinstimmung zwischen dem Waldorfkurrikulum und einem bestimmten Alter. Die Gemeinsamkeiten der Entwicklung lassen sich eher in groben als in feinen Zügen darstellen. Wir sprechen von der frühen Kindheit, der frühen Adoleszenz usw. Wenn wir dann aber über das Kind in der 3. Klasse sprechen, ist es, als sei dies ein ebenso fester Entwicklungsschritt. Der Punkt ist, dass in jeder Klasse die Situation einzigartig ist und jede doch durch ihre Kultur und Zeit geprägt ist, die beeinflusst, wie die Erwachsenen die Kinder betrachten und wie ihre Erwartungen an die Kinder sind.
Welches sind nun die pädagogischen Aufgaben des Waldorf-/ Steiner-Lehrplans?
Aus meiner Sicht – und es stimmen nicht alle mit mir überein – besteht die Aufgabe darin, eine Lernumgebung zur Verfügung zu stellen (und das schließt sowohl einen angemessenen Raum, die nötigen Organisationformen und Arrangements, das Material usw. ein), in der die Schüler lernen können und sich in der bestmöglichen Weise entwickeln. Ganz wesentlich unterstützt das Waldorfkurrikulum diesen Prozess, indem es die entsprechenden Erfahrungen bietet, so dass jedes Kind und jeder junge Mensch sein Lernen aus innerer, intrinsischer Motivation und aus seinen gegebenen Möglichkeiten heraus verbessern kann. Das bedeutet, dass jeder Lernende aus sich heraus auf die nächste Entwicklungsstufe gelangen kann. Der russische Psychologe Lev Vygotsky (15) nannte dies die ‚Zone der proximalen Entwicklung’. Dieser Lernprozess wird durch den Lehrer ebenso wie durch den Inhalt des Lehrplans, durch Texte, Werkzeuge, Materialen, Räume usw. unterstützt.
Das bestehende Waldorflehrplangerüst bietet einen strukturierten Entwicklungspfad und Leitfaden durch all die verschiedenen Themen und Aktivitäten und durch dass, wie das Lernen organisiert ist. Sie leitet und führt die Entwicklung eher, als dass sie ihr folgt. Wenn alle Kinder einer Klasse oder Lerngruppe den gleichen Geschichten, Experimenten und Herausforderungen zur gleichen Zeit begegnen, oft vermittelt durch den gleichen Lehrer, sei es der Klassenlehrer oder der Fachlehrer, dann wird ihre Entwicklung auf diese Weise harmonisiert. Einige werden schon bereit sein für neue Aufgaben, andere brauchen noch Hilfe, um sich auf sie einzulassen. Dies ist ein wichtiger Aspekt des gemeinschaftlichen Lernens.
Es ist falsch, zu glauben, dass das Lernen nur eine individuelle Tätigkeit sei. Es ist vor allem eine gemeinschaftliche Tätigkeit, weil praktisch alles, was wir tun, andere Menschen miteinbezieht und davon abhängt, was Andere erreicht haben, was von Anderen weitergegeben wird oder was wir tun, dass Andere von unserer Tätigkeit profitieren.
Die gleichen wertvollen Erfahrungen zu machen in gemischten gleichaltrigen Gruppen bis zu Klasse 12 (gemischt in Hinblick auf Hintergrund, Persönlichkeit, Interessen und Fähigkeiten), ist einer der wichtigsten Aspekte der Waldorfpädagogik, weil es individuelles Lernen auf der Grundlage gemeinsamer Erfahrungen in einer Lerngruppe ermöglicht, die auf gegenseitige Unterstützung und gegenseitiges Verständnis gründet. Jede Waldorfklasse ist eine Gemeinschaft, die durch die gemeinsamen Erfahrungen eine ausgeprägte Gruppenidentität entwickelt, und auch dadurch, dass die Schüler Aufgaben bearbeiten, die Entwicklungsprozesse in Gang setzen. Diese Aufgaben sind Teil des Kurrikulums. Auf diese Weise gleichen sich die Entwicklungsprozesse einander an, gerade so wie in traditionellen Gemeinschaften, in denen viele Lebensbereiche gemeinsam erlebt werden. Die Rituale, Feste und das Zusammenleben der Klassengemeinschaft verstärken diese gemeinsame Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das so wichtig ist für die Entwicklung eines jeden Menschen. Wer sich wohl fühlt in seinem Körper, in seiner Gemeinschaft und im gemeinsamen Handeln, wer das Zuhören und die Sorge um andere ebenso ernst nimmt wie die Offenheit für andere außerhalb der Gemeinschaft, wer die narrative Empathie, also die Fähigkeit die Geschichte des anderen zu erzählen, gelernt hat, der ist gerüstet für die soziale Komplexität einer ansonsten fragmentierten und individualisierten Gesellschaft, die einige ihrer traditionellen sozialen Strukturen und Werte verloren hat. Dies ist in der Tat die Grundlage für interkulturelle Kompetenz.
Ohne Noten und mit einem offenen Kurrikulum müssen die Lehrer die Lernfortschritte der Schüler und ihre Entwicklung sorgfältig beobachten, um sicherzustellen, dass diejenigen, die Unterstützung brauchen, diese auch sofort bekommen. Auf diesem Gebiet muss dringend geforscht werden. Eine der wichtigsten Aufgaben für erfahrene Lehrer ist es, das Kurrikulum mit dem Blick auf den sozialen und kulturellen Wandel, der die Lernerfahrung der Schüler prägt, weiterzuentwickeln.
Woher nehmen wir die Kriterien in der Waldorfpädagogik?
Die Kriterien für eine Qualitätsbeurteilung in der Waldorfpädagogik stammen aus zwei grundlegenden Quellen. Die erste Quelle umfasst das Wissen, das Lehrer durch ständige Beobachtung, Studien und Befragungen erworben haben, durch Reflexion, Nachdenken und Gespräche über die Schüler, die pädagogische Praxis und den natürlichen, sozialen und kulturellen Kontext in dem die Erziehung stattfindet. Ich nenne diese Quelle Erfahrung. Sie wird erweitert durch die Erfahrungen anderer, die ich zu meinen eigenen zu machen suche.
Die zweite Quelle sind die Ideen. Zunächst schließt das die anthropologischen Vorstellungen davon ein, wie Menschen aufwachsen, lernen und sich entwickeln. Das schließt alles ein, von dem wir wissen, dass es grundsätzlich für alle Menschen wahr ist. Dieses Wissen muss man mit großer Toleranz und Vielfalt betrachten, weil Menschen unglaublich verschieden sein können. Zum anderen beschreiben diese Ideen eine archetypische Vorstellung von einer harmonischen menschlichen Entwicklung. Diese Vorstellungen von der menschlichen Entwicklung wurden durch Rudolf Steiner’s spirituellen Erkenntnisse bereichert. Dies sind die Erkenntnisse, die Steiner beispielsweise den Lehrern der ersten Waldorfschule mitgab und die auf seine Grundlagenarbeit und seine spirituelle Forschung zurückgehen. (16)
Das Verhältnis dieser beiden Quellen ist interessant und komplex und sollte untersucht werden, weil sich die individuelle und besondere Situation durch die archetypischen Ideale begreifen lässt. Dieses Ideal erhält seine Gültigkeit und Relevanz nur, wenn wir es im Einzelfall wiederfinden. Das archetypische Ideal ist ein Denkmittel, eine Heuristik, um unser Verständnis von beidem, dem Besonderen und dem Allgemeinen zu unterstützen und stellt eine wirkliche Alternative zur Arbeit mit normativen Standards dar.
Kurzer Überblick über die Grundprinzipien der Waldorfpädagogik
Die folgende Liste verdeutlicht, was ich als einige (aber nicht alle) wesentliche Aspekte
der Waldorfpädagogik betrachte, die wir als Kriterien nützen können, unsere eigene Praxis zu hinterfragen. Jeder einzelne Aspekt steht in einen komplexen Zusammenhang und ist oft nur mit anderen Kriterien zu verstehen. Um der Kürze willen werde ich diese Kriterien nicht weiter erläutern. Sie sollen als Vorschlag dienen.
Das Lernen und die Entwicklung umfasst in der Waldorfpädagogik folgende Aspekte:
- den eigentlichen Prozess des ganzheitlichen Lernens zu verstehen, einschließlich des Prozesses von Vergessen und Erinnern, durch den Erwerb von Fähigkeiten eine eigene Identität zu bilden, sowie die Stufen der Schlussfolgerung, Beurteilung und Entwicklung einer Idee;
- zu erkennen, dass Lernen die Veränderung des ganzen Menschen mit seinem Verstand (Seele) und Geist bedeutet;
- zu sehen, dass Lernen ein fortschreitender Prozess der Persönlichkeitsbildung über sich verändernde Situationen und Beziehungen hinweg ist;
- die Bedeutung der Ich-Entwicklung in gesellschaftlichen Zusammenhängen und das Lernen als gesellschaftlichen Prozess zu erkennen;
- zu verstehen, dass der Lernende aktiv lernen muss und dass Motivation zu erweitertem Lernen führen sollte, das das Lernen als Wert an sich sieht (und nicht lediglich als Ansammlung von Belohnungen); und dass das Lernen ein Prozess des inneren Wandels und der äußeren Verbundenheit ist, in der der Lernende verbunden ist mit anderen Lernenden und auch Ideen miteinander verbunden sind.
Der Unterricht unterstützt gesunde Lernprozesse und Entwicklung durch:
- das Sicherstellen, dass Lernende einen Sinn für Kohärenz entwickeln, der darauf gründet, dass sie immer das Gefühl haben, dass die Dinge, mit denen sie sich beschäftigen sollen, grundsätzlich verständlich, machbar und sinnvoll sind;
- die Anwendung künstlerischer, ästhetischer und interdisziplinärer Prozesse;
- ein Lernen in der Welt und durch die Welt; das bedeutet, dort zu beginnen wo man steht, vom Konkreten zum Abstrakten zu gehen, von seiner Erscheinungsform zu seiner Bedeutung, die aktuelle Situation zu erkennen als symptomatisch für einen komplexeren Prozess;
- zur Verfügung stellen von eben soviel Zeit und Ressourcen für praktische handwerkliche Tätigkeiten, künstlerisches Arbeiten, Projekte und schulisches Lernen;
- das Angebot hinreichender Gelegenheiten für das Lernen von lebenspraktischen Fähigkeiten in authentischen Zusammenhängen.
Unterrichten:
- ermöglicht und unterstützt die Selbstaktivität des Schülers;
- nutzt Narrative und anschauliche Bilder auf allen Ebenen um Komplexität zum Ausdruck zu bringen;
- ist eine anspruchsvolle Kunst;
- gründet darauf, das Kind zu ‚lesen’ und pädagogisches Taktgefühl, der Fähigkeit in der pädagogischen Situation sinnvoll zu handeln.
Pädagogik:
- erkennt, dass Schüler das Bedürfnis nach, und das Recht auf prägendes Feedback haben, das sie nachvollziehen können, das ihnen hilft, den nächsten Schritt zu tun;
- erfordert Lehrer, die die Bedürfnisse ihrer Schüler erkennen und sie ansprechen können;
- erfordert die Fähigkeit der kritischen Selbstbeobachtung und Selbstentwicklung denn die Lehrerpersönlichkeit ist an sich schon ein wesentlicher Erziehungsfaktor;
- bedeutet dem Schüler moralische Anleitung durch das eigene Beispiel anzubieten.
Erziehungspraxis:
- gründet auf forschende Praktiker;
- gründet auf offene Diskussion unter den Praktikern und zwischen den Institutionen;
- gründet auf kollegiale Verantwortung an jeder einzelnen Schule;
Der letzte Punkt ist mir besonders wichtig. Es gibt viele Organisationsformen für Waldorfschulen, so wie private, unabhängige Einrichtungen, oder staatlich finanzierte öffentliche Schulen. Schulen können flache Hierarchien, kollegiale Führung ganz ohne Hierarchie haben, sie können die Leitung in verschiedene Zuständigkeiten aufteilen oder sogar Schulleiter und pädagogische Leiter haben. Die Liste der Waldorfschulen weltweit kennt alle diese Formen und noch weitere. Meiner Meinung nach passt Bürokratie (das heißt Checklisten mit Kriterien und Beurteilung durch Leute, die gar nicht an einer Waldorfschule unterrichten) nicht zur Waldorfpädagogik, sondern die Schulen sollten sich auf die beiden Säulen der Selbstbeurteilung und der Beurteilung durch Kollegen stützen.
Die Grundprinzipien der Waldorfschulleitung sind:
- Kollegiale Führung (definitionsgemäß nicht hierarchisch und aufgeteilt);
- Pädagogische Führung die basiert auf guter Kenntnis der Schüler (und ihrer Eltern), der gemeinsamen Arbeit, einer gemeinsamen Vorstellung von den Erziehungsprinzipien und dem Entwicklungspotential der Schule;
- Engagement eines jeden für eine persönliche und spirituelle Entwicklung im Sinne des pädagogischen Auftrags und der gegenseitigen Unterstützung.
Natürlich müssen Lehrer ein gewisses Maß professioneller Expertise erreicht haben, bevor sie volle Verantwortung für die Erziehung an ihrer Schule übernehmen können; also die notwendige Qualifikation, Erfahrung und ihr Können. Steiner hatte die Vorstellung, dass die wöchentlichen Lehrerkonferenzen eine ständige Weiterbildung wären und nicht auf ein reines Organisationsmeeting reduziert sein sollten. Letztendlich sollten sie Relevanz und Qualität garantieren. Die Waldorfpädagogik sollte nicht im Traditionsglauben ankern sondern auf kritischem Denken und ethischem Urteil beruhen. Vor allem aber bin ich überzeugt, dass Steiner nicht wollte, dass die Erziehung bestimmt würde von externen oder bürokratischen Institutionen – und das schließt externe bürokratische Waldorfinstitutionen ein. Daher kann auch ein definitives Waldorfkurrikulum kein Kriterium dafür sein, ob eine Schule eine Waldorfschule ist oder nicht. Wohl aber kann eine Schule als Waldorfschule gelten, wenn sie es anstrebt, einen Lehrplan und pädagogische Praxis zu entwickeln, so wie sie diese hier genannten Kriterien vorschlagen.
Martyn Rawson ist seit 1979 Waldorflehrer in Schulen in England und in Deutschland gewesen. Er ist Autor mehrerer Bücher über Waldorf und Mitherausgeber des englischsprachigen Waldorflehrplans, der inzwischen in 18 Sprachen übersetzt wurde. Er arbeitete von 1996 bis 2010 im Kollegium der Pädagogischen Sektion in Dornach mit. Heute unterrichtet er an der Freien Waldorfschule Elmshorn sowie am Waldorflehrerseminar Kiel. Hier geht's zu <link http: www.learningcommunitypartners.eu>Martyns Website über partnerschaftliches Lernen.
Weiterführende Literatur: <link file:574 _blank download herunterladen der datei>Some guidelines for developing a global Waldorf Curriculum locally (PDF auf Englisch)
übersetzt von Gerd Stemann
Literatur
(1) Iwan , R. (2007). Die neue Waldorfschule: Ein Erfolgsmodell wird renoviert (The new Waldorf school: a succesful model is being renovated). Reinbek-bei-Hamburg: Rowohlt.
(2) Steiner , R. (1996). Rudolf Steiner in der Waldorfschule: Ansprachen für Kinder, Eltern und Lehrer. GA 298. Rudolf Steiner Verlag, Dornach, 1980.
(3) Ciborski , S., & Ireland , H.-A. (2015). Assessment for Learning in Waldorf Classrooms: How Waldorf teachers measure student progress towards lifelong learning. Bethesda, Palo Alto, CA.: Academica Press.
(3) Mepham , T., & Rawson , M. (2001). Assessment and Learning in Steiner Waldorf Education. Forest Row, UK: Steiner waldorf Schools Fellowship.
(3) Rawson , M. (2015). Assessment for learning in Waldorf education. Research Bulletin for Waldorf Education.
(4) Hattie, J. A. C. (2012). Visible Learning for Teachers: Maximizing impact on learning. London.
(5) Nussbaum, M. (2006). Education and democratic citizenship. Journal of Human Development and Capabilities, 7(3), 385-395.
(6)Nussbaum, M. (2011). Creating Capabilities: The human development approach. Cambridge, MA.: The Belknap Press of Harvard University Press.
(7) du Bois-Reymond , M. (2009). Models of navigation and life management. In A. Furlong (Ed.), Handbook of Youth and Young Adulthood: New perspectives and agendas (S. 49-57). Abingdon: Routledge.
(8) Ball, S. J. (2012). Global Education inc. New policy networks and the neo-liberal imaginary. London and New York: Routledge.
(9) Verhaeghe , P. (2013). Und Ich? Identität in einer durchökonomisierten Gesellschaft (What about me? Identity in a society permeated by the economy) (B. Erdmann & A. Wicharz-Lindner, Trans.). München: Antje Kunstmann Verlag.
(10) Steiner, R. (1982). Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915-1921. Dornach: Rudolf Steiner Verlag. GA 24. S. 37.
(11) Steiner, R. (1919/2010). Die Kernpunkte der sozialen Frage. Rudolf Steiner Online Archiv. 4. Auflage. S.4.
(12) Serres, M. (2013). Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation (S. Lorenzer, Trans.). Berlin: Suhrkamp Verlag.
(13) Beck, U. (2009). The World at Risk. Cambridge, UK: Polity Press.
(14) Largo , R., & Beglinger , M. (2009). Schülerjahre: Wie Kinder besser lernen (Pupil years: how children learn better). Munich: Piper Verlag.
(15)Vygotsky, L. S. (1978). The role of play in development (M. Cole, Trans.) Mind in Society (pp. 92-104). Cambridge, M.A.: Harvard University Press.
(16) Steiner, R. (1996a). The Foundations of Human Experience. Hudson, NY.: Anthroposophic Press.