Waldorflehrpläne beinhalten was unterrichtet wird, wie es gelernt wird und warum es gelehrt wird. Sie sollten nicht verordnend sein, sondern als Orientierung verstanden werden. Sie basieren auf Entwicklungsaufgaben die folgendes berücksichtigen und integrieren:
- altersgerecht Idealtypus umfassende Themen und Lehr- und Lernansätze die in einem horizontalen (das heißt in allen Fächern einer Klassenstufe), vertikalen (die Entwicklung in jedem Fach über die gesamte Schullaufbahn hinweg), und spiralförmigen (die Ausweitung von Grundkonzepten über die gesamte Schullaufbahn hinweg) Rahmen (z.B. die offiziellen gedruckten Waldorflehrpläne) strukturiert sind
- je Fach und Jahrgangsstufe eine Bestimmung von Rahmenrichtlinien, Fähigkeiten und Wissen
- die Betrachtung der proximalen Entwicklungszone, der Lerngruppe/Klasse und der individuellen Lernunterschiede, einschließlich angemessener und inklusiver Lernmethoden
- nationale und gesetzlich vorgeschriebene Lehrplanerwartungshorizonte
- lokale kulturelle Vielfalt (1)
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren muss das Bildungsangebot der Zeit und dem Ort an dem es stattfindet anpasst werden. Am 13. Januar 1921 sagte Steiner in einem Gespräch mit der Elternschaft: „Und wir haben selbst in der Zeit, in der wir gewirkt haben, von Monat zu Monat sorgfältig geprüft, wie unsere Grundsätze, unsere Kunstregeln bei den Kindern wirken. Und in den folgenden Jahren wird manches schon unter anderen Gesichtspunkten, unter vollkommeneren Gesichtspunkten sich vollziehen als im vorhergehenden“ (2).
Steiners Ethik, so wie sie in seiner ‚Philosophie der Freiheit‘ beschrieben wird, ist ein moralisch vertretbarer Individualismus der innerhalb einer Gesellschaft so begriffen wird, dass Individualismus nicht gegen soziale Verantwortung ausgespielt wird, so wie es im Neoliberalismus geschieht (in den meisten Länder sind die Bildungsrichtlinien an diesen angelehnt). Der Neoliberalismus als die dominante Idee unserer globalisierten Gesellschaft sagt uns, dass man nicht beides haben kann, also entscheide dich nach deinem individuellen Interesse, der Ethnozentrismus plädiert für Entscheidungen im Interesse des Volkes und der Nationalismus möchte das wir uns zum Wohl der Nation entscheiden.
Gertrude Hughes schreibt aus feministischen Perspektive über Steiners Philosophie: „Steiner diskutiert über Individualismus ohne diesen als Gegenstück zu sozial verantwortlichen Verhalten zu verstehen; sein moralisch vertretbarer Individualismus zeichnet sich nicht als unvereinbarer Möglichkeit zwischen beiden aus …… moralisch vertretbarer Individualismus ist ‚moralisch vertretbar‘ weil er eben nicht unsozial ist, und sozial wird wiederrum nicht als ein Arrangement verstanden, das sich in Individualität verliert, sondern als Arrangement beschrieben, die der Einzelne/ das Individuum macht, um seiner Individualität zu dienen… Für Steiner ist das Gegenstück zum Individuum nicht ‚Gesellschaft‘ sondern ‚Gattung‘…. [er sagt] wenn wir einander nur im Allgemeinen sehen können wir nicht darauf hoffen uns gegenseitig zu verstehen.“ (2)
Wenn wir Menschen als Beispiele eines bestimmten Typs sehen, dann sehen wir sie nicht als Individuen und das wiederrum schränkt ihre Möglichkeiten ein, freie Individuen zu werden. Interessant an dieser Diskussion ist, dass so wie sie hier beschrieben wird, Gesellschaft zusammengesetzt ist aus den Handlungen von Individuen und damit diese Handlungen die Individualität des Anderen ermöglichen, können und sollten sie frei sein von jeglicher Form von Diskriminierung oder fehlenden Anerkennung dem Anderen gegenüber. Für uns als Lehrer bedeutet das, dass wir den Einzelnen und nicht die Klasse im Allgemeinen sehen müssen, zu dem der Einzelne gehört, dies muss unter der Berücksichtigung von Gender, kultureller oder ethnischer Zugehörigkeit geschehen [d.h. als Mädchen einer bestimmten Familie, als Person mit bestimmter Hautfarbe, als Moslem oder Jude, als Ausländer/Immigrant, als Menschen mit Behinderungen, etc.] sonst werden wir unsere Schüler nicht verstehen können. Ferner müssen wir Räume schaffen, in denen die limitierenden sozialen und kulturelle Faktoren die mit diesen Unterschieden verbunden sind, überwunden werden können.
Meiner Meinung nach ist aber auch das nicht genug. Wir müssen uns vor Augen halten, dass viele Faktoren die diskriminierenden Verhaltensweisen und Ansichten begünstigen, unreflektiert bleiben oder als selbstverständlich empfunden werden. Die meisten Menschen sind nicht explizit rassistisch oder fremdenfeindlich aber sie nehmen nicht wahr, dass ihre eigene Zugehörigkeit zur generischen Gruppe sie privilegiert. (3)
Statt sich einfach zu sagen“ aber Waldorf ist doch gegen jede Form von Diskriminierung“, was ja theoretisch stimmt, und einfach so weiterzumachen wie bisher, ist es nicht verkehrt und auch notwendig, sich ein paar Fragen über den Lehrplan und den nicht so offensichtlich wahrzunehmenden Lehrauftrag der dahinter steckt zu stellen. Um diesen Prozess zu vereinfachen habe ich ein paar Fragen zusammengestellt die sich jede/r zu Beginn einer neuen Hauptunterrichtsepoche (oder auch in allen anderen Fächern) stellen kann.
Sozialisation, Qualifikation, Individuation
Bei der Unterrichtsvorbereitung, insbesondere der Hauptunterrichtsepochen sollten Lehrer berücksichtigen, dass jede Epoche einer Entwicklungsaufgabe zugeordnet werden kann, d.h. unterrichten und lernen unterstützen die Entwicklung von Kindern und jungen Menschen über drei Entwicklungsbereiche hinweg: Sozialisation, Qualifikation, Individuation. Entwicklung bedeutet nachhaltige Veränderung der persönlichen Fähigkeiten im Laufe der Zeit und in verschiedenen sozialen Räumen. Ganz konkret heißt das, dass wir uns bei der Unterrichtsvorbereitung eine Liste anlegen auf der wir notieren, was diese Epoche zur Sozialisation, Qualifikation und Individuation beiträgt. Im Folgenden möchte ich diese drei Bereiche etwas ausführlicher beschreiben.
Soziales Lernen
Sozialisation bezieht sich darauf wie Kinder in der Gemeinschaft in der sie leben lernen. Dies beinhaltet soziales Bewusstsein und soziale Kompetenz und für die meisten Menschen ein Leben in einem multikulturellen und multiethnischen Kontext. Kinder müssen lernen, dass Menschen verschiedener kultureller oder religiöser Hintergründe, mit Behinderungen, deren Muttersprache anders ist als die der Mehrheit, Menschen mit unterschiedlicher Genderorientierung als die der Mehrheit und Frauen und Minderheiten aller Art, unterschiedliche Erwartungen, Überzeugungen, Bedürfnisse haben als Kinder des dominanten Kulturkreises. Viele Menschen in diesen Gruppen erfahren explizit und implizit Diskriminierung.
Während einige Lehrer und Eltern, die oft selbst zu den Mehrheitsgruppen gehören, argumentieren würden das es unnötig oder unerwünscht ist Kinder zu früh für Unterschiede zu sensibilisieren, würde ich dagegenhalten, dass die Gefahr auf der anderen Seite durch eine nicht Sensibilisierung grösser ist. Kinder machen und ahmen die unbewusst verkörperten Einstellungen der Erwachsenen und älteren Kinder um sie herum nach und das macht sie für diskriminierendes Verhalten und diskriminierende Ansichten empfänglich. Vieles deutet darauf hin, dass Kinder schon ein Bewusstsein für Unterschiede im Kindergartenalter haben, besonders dann, wenn die Eltern schon eine gewisse Einstellung zu der Familie oder dem kulturellen Hintergrund eines anderen Kindes haben. Es ist sehr naiv und vielleicht romantisch verklärt zu glauben, dass junge Kinder frei von Vorurteilen sind, nicht zuletzt, weil sie für die Einstellungen, Werte und Stimmungen der Menschen in ihrer Umgebung offen sind. Einige Waldorflehrer glauben, dass die Farben und Charaktere in Märchen Archetypen sind und deshalb nicht als rassistisch klassifiziert werden dürfen. Aber wie soll das ‚schwarze‘ oder ‚braune‘ Kind das wissen, wenn alle Helden stets ‚weiß‘, blond und männlich sind? Viele europäische Märchen und Sagen können mit der stark nationalistischen und ethnischen Verklärung des 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden (ebenso ist das 20. Jahrhundert nicht frei von noch stärkeren Assoziationen; man denke nur an die nordischen Mythologien und die Nazis). (4)
Dies soll nicht als Aufforderung verstanden werden, diese Geschichten nicht mehr zu erzählen, vielmehr liegt die Lösung darin sie in eigene Worte zu fassen und dabei offensichtliche ‚kolonial Elemente‘ herauszunehmen, während die Essenz der Geschichte weiter vermittelt wird. Deine Version wird sich nicht akribisch an der originalen Quelle orientieren (diese eine Quelle gibt es bei den meisten Geschichten ohnehin nicht), dennoch hat sie ihre Berechtigung, weil sie mit den besten Intentionen weitererzählt wird, so wie es der Tradition des Geschichtenerzählens entspricht. Es geht mir nicht darum eine kritische Studie einzuleiten, sondern uns bewusst zu machen, womit wir arbeiten und wo wir Veränderungen machen müssen, damit unser Unterricht allen Schülern Wertschätzung entgegenbringt.
In Anbetracht dessen, dass es in unserer Gesellschaft schon lange eine andauernde reale Spannung in Bezug auf Gender, ethnische und kulturelle Herkunft gibt, ist es wichtig, gleichermaßen indirektes und direktes soziales Lernen zu praktizieren. Indirektes soziales Lernen beinhaltet das kultivieren aller Sinne und besonders derjenigen, die sich der sozialen Welt zuwenden (z.B. hören, fühlen, sehen, Sinn für Bewegung, Sinn für Sprache, Gedanken und insbesondere der Sinn, den Anderen als getrennt von mir zu erleben). Es bedeutet weiter eine generelle Wahrnehmung der Anderen zu entwickeln, die Fähigkeit Anderen offen zu begegnen und empathisch zuzuhören, eine Vielzahl von verbalen und nicht verbalen Kommunikationsfähigkeiten zu erlangen, den Anderen Raum geben und für sie zu sorgen, anerkennen was andere tun und einfach mit Anderen sein sowie Andersartigkeit im Leben und der Schule als etwas normales zu empfinden und menschlich wirtschaftliche und soziale Wechselwirkung wahrzunehmen. Direktes soziales Lernen wiederum beinhaltet das Lernen über verschiedene Kulturen, Religionen, Arten zu leben, besondere menschliche Bedürfnisse, wirtschaftliche Entwicklungen und Abhängigkeiten sowie das Lernen über unsere Sinne und wie wir andere Menschen wahrnehmen. Beide, indirekte und direkte Lernmethoden haben ihren Platz im Waldorflehrplan nur müssen wir regelmäßig prüfen, ob wir genügend Möglichkeiten für soziales Lernen bieten.
Möglichkeiten zur Förderung von Sozialisation:
- vorbestimmte Gruppen bei Aktivitäten (d.h. Gruppen die in ihrer Zusammensetzung nicht von den Teilnehmern selbstgebildet werden)
- ein sorgfältiger Umgang damit wie Menschen in Geschichten und Bildern dargestellt werden (sind alle Figuren im Tafelbild ‚weiß/blond‘ - und wie sind ‚schwarze‘ oder ‚braune‘ Gesichter dargestellt?), welche Sprache benutzen wir wenn wir über Hautfarbe sprechen, besonders ‚schwarz ‘- repräsentiert ‚schwarz’ immer Dunkelheit, Böses und Dummheit? Ist hell immer gut und dunkel das Gegenstück dazu?
- das Zuhören von anderen üben und ihre Geschichten nacherzählen
- Geschichten erzählen in denen Frauen und Menschen verschiedener Herkunft in einer tragenden positiven Rolle vorkommen (auch wenn das heißt die traditionellen Geschichten, Legenden und Mythen zu ändern und sie von einseitigen Darstellung bezüglich Gender und/ oder bestimmter ethischer Gruppen frei zu machen – nach einer jahrhundertlangen Diskriminierungstradition ist dies ein Mindestbeitrag den wir alle leisten können)
- Geschichte aus aller Welt, besonders im Sinne von Goethes Weltliteratur, also Geschichten die eine universelle Botschaft haben und die sich in verschiedenen Kulturen wiederfinden oder an eine ‚Weltkultur‘ angelehnt sind – mein Vorschlag wäre das sich das Erzähl-Curriculum auf die regionale Literatur zentriert und wir andere Literatur und Weltliteratur um diese gruppieren.
- lernen wie Menschen in verschiedene Kulturen leben oder gelebt haben
- beim Erzählen historischer Geschichten verschiedene Perspektiven (Gewinner/Verlierer) einnehmen
- das Erzählen oder Lesen von Biographien Menschen anderen Hautfarben, Kulturen und ethnischen Minderheiten
- über die Geschichte der Sklaverei lernen und deren Auswirkung auf die britische, europäische und amerikanische Gesellschaft
- über die Geschichte von Migration und Immigration lernen
- Beispiele integrierter Städte und Kulturen aus der Vergangenheit aufführen (z.B. Rom im Altertum, Bagdad, Cordoba, Timbuktu, Sarajevo)
- thematisieren, dass unsere eigene Kultur von anderen Kulturen beeinflusst wird (z.B. Essen, Stoffe, Technologie, Sprache) und insbesondere darauf eingehen, dass alle Kulturen von anderen Kulturen beeinflusst wurden und werden
In Bezug auf Sozialisation können wir uns folgende Fragen stellen, wenn wir unseren nächsten Hauptunterricht oder andere Stunden vorbereiten:
- Welche sozialen Kompetenzen werden geübt?
- In wie fern bieten die Inhalte der Stunde die Möglichkeit soziale Kompetenzen wie gegenseitige Unterstützung, Toleranz und Inklusion zu erfahren und zu fördern?
- Wie multikulturell ist mein Geschichtenmaterial?
- Ist mein Erzählstoff frei von ‚kolonialen Bestandteilen‘?
Kenntnisse und Fähigkeiten
Diese Qualifizierung bezieht sich auf die Anwendung von Dispositionen, Fähigkeiten und Kenntnissen die Kinder und junge Menschen brauchen damit sie lernen in der Arbeitswelt und Zivilgesellschaft zurechtzukommen. Dies umfasst:
- eine wirkungsvolle Nutzung kultureller Bildung/ Alphabetisierung (z.B. der Fähigkeit mit verschiedene Textarten zurechtzukommen), Rechenkenntnisse,
- Medienkompetenz,
- künstlerische Fähigkeiten, (einschließlich des Spielen eines Musikinstruments, die Fertigkeit an musischen Aktivitäten teilzunehmen),
- Bewegungsfertigkeiten und Sport,
- handwerkliches und praktisches Arbeiten durch sinnvolle Aufgaben, sowie sozial und ökologisch verträgliche Verhaltensformen zu fördern, die einem Selbst, Anderen und der Umwelt gut tun.
Sachkundiges Handeln mit Sinn‘ heißt das Anwenden von Jenem an sich selbst erfahrenes Wissen durch informierte und qualifizierte Aktivitäten, die nicht nur dem Eigeninteresse dienen sondern auch sozial und kulturell bedeutungsvoll und produktiv sind (z.B. Gegenstände herzustellen die nach ihrer Fertigstellung auch benutzt und gebraucht werden).
In Bezug auf Qualifizierung können wir uns fragen:
- Welche Veranlagungen/Dispositionen, Überzeugungen, und Einstellungen werden in dieser Epoche (weiter) kultiviert?
- Welche Aktivitäten habe ich eingeplant, die das Anwenden von kulturellen Fertigkeiten durch ‚Sachkundiges Handeln mit Sinn‘ ermöglichen?
Die werdende Persönlichkeit/ Individuation
Selbstwerdung bezieht sich auf den Prozess die eine Person durchschreitet und sie befähigt eigenverantwortlich zu handeln und zu urteilen, kreativ zu sein und sich sozial verantwortlich zu verhalten. Als Lehrer können wir nicht garantieren, dass Schüler Erfahrungen machen in denen sie offen für Andere und die Welt um sie herum sind, oder dass sie durch Erfahrungen bewegt, betroffen, motiviert oder herausgefordert werden. Dennoch können wir Möglichkeiten schaffen bei denen sie Verantwortung übernehmen können, ohne dass man es ihnen vorschreibt, oder Situationen kreieren in der die Situation selbst erfordert, dass sie sich als eigenständige Person zeigen. Solche Situationen können wir schaffen und uns dieser Momente bewusst werden und sie würdigen.
Verschiedene Formen von Rückblicken und ‚das was war‘ sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, fördert Reflektion und Selbstwahrnehmung, und ein wahrnehmen meines Wirkens auf andere. Individuation oder Selbstwerdung kann auch als spirituelle Erfahrung verstanden werden, wenn wir z.B. erfahren dass wir Teil von etwas größerem sind, oder besondere Qualitäten in anderen oder Situationen numinos erspüren.
In Bezug auf Individuation können wir uns Fragen:
- Welche Möglichkeiten gibt es, Erfahrungen mit tieferer Bedeutung zu fühlen?
- Gibt es Möglichkeiten für die Schüler Initiative zu ergreifen?
- Ist eine echte Kreativität gefragt und spontane Erkenntnisse willkommen?
- Haben Schüler die Gelegenheit bedeutende Entscheidungen zu treffen und über diese im Nachhinein zu reflektieren?
- Gibt es Chancen mit der realen Welt in Berührung zu kommen und Erfahrungen zu machen die bedeutungsvoll sind?
Fazit/Schluss
Dies ist der Anfang eines Versuchs unser Curriculum zu Dekolonialisieren. Wir müssten natürlich auch schauen, welche Botschaft handwerkliche Fächer vermitteln wenn Methoden genutzt werden, die nicht mit den örtlichen Traditionen übereinstimmen und Materialien verwendet werden, die nicht lokal produziert werden sondern importiert werden. Ferner sollten beim Zelebrieren von Festen die lokalen kulturellen Anteile mit einbezogen werden, ebenso sollten wir uns frei fühlen unsere eigenen bedeutungsvollen Abläufe und Traditionen zu schaffen besonders wo unsere kosmopolitische Gesellschaft den Sinn für Feste verloren hat bzw. diese weitgehend kommerzialisiert sind. Wenn wir Anfangen bewusst hinzuschauen werden wir einen neuen Bezug zu unserem Curriculum finden und damit einen kleinen Beitrag leisten, Diskriminierung in unserer Gesellschaft zu verringern.
Martyn Rawson unterrichtet am Kieler Waldorfseminar/an der Christian Morgenstern Schule in Hamburg und ist Professor an der National Tsing Hua Universität in Taiwan. www.learningcommunitypartners.eu
Literatur
- Brandsby, K und Rawson, M. (2020) Waldorf education for the future: generative principles and curriculum practice. London. Steiner Waldorf Schools Fellowship
- Steiner, R. (1980) Rudolf Steiner in der Waldorfschule: Vorträge und Ansprachen für die Kinder, Eltern und Lehrer in der Waldorfschule 1919-1924. Dornach, Rudolf Steiner Verlag
- Wer dies aus einem britischen Kontext heraus verstehen möchte sollte Reni Eddo-Lodge’s Buch lesen Why I’m no longer talking to white people about race, ähnliche Literatur gibt es auch in deutscher Sprache, nennenswert sind hier auch die Hinweise die von derTechnische Universität Dortmund zusammengetragen wurden: http://kurt.digital/2020/06/09/erschreckende-zahlen-wie-rassistisch-ist-deutschland/). Struktureller Rassismus (und die Diskriminierung von Frauen, Einwanderern und anderen Gruppen) ist weit verbreitet auch in den als am offensten geltende Gesellschaften und in vielen anderen gewinnt er zunehmend an politischem Einfluss.
- Teverson, A. (2019). The Fairy Tale World. Abingdon: Routledge.
Teverson zeigt das Andrew Lang, einer der großen Märchensammler, explizit die Grundannahme vertrat, dass diese Geschichten eine kulturelle Evolution darstellten vom Primitiven zum Zivilisierten, diese erreichten seiner Meinung nach ihren Höhepunkt in den westlichen Zivilisationen. Lang schreibt in seiner Einleitung, dass er die Geschichten so angepasst hat, dass sie den Bedürfnissen von britischen Kindern entsprachen und das auch seine Frau diese Geschichten nicht so wiedergibt wie sie von „seltsamen Eingeborenen erzählt würden, sondern sie sich so zurecht legt, dass weiße Menschen sie mögen würden, und die Teile heraus lässt, die diesen nicht mögen würden“. - Siehe: Ngugi wa Thiong'o (2012) Globalectics: Theory and politics of knowing. New York: Columbia Universit Press, und: Rawson, M. (2019). International Waldorf 100 Curriculum Project: Some guidelines for choosing story material. Pacifica Journal, 56(2), 10-18.