Der Stop-Motion-Animationsfilm ist eine Filmtechnik, bei der Objekte in kleinen Schritten zwischen einzeln fotografierten Einzelbildern physisch manipuliert werden, so dass sie eine unabhängige Bewegung zu zeigen scheinen, wenn die Bildserie als schnellere Sequenz reproduziert wird. Dies ist das digitale Äquivalent zum Daumenkino. Natürlich kann diese Technik nur als eine Komponente in der Medienbildung verstanden werden und von vielen anderen Medienprojekten begleitet werden.
Anlässlich der "Schweizerischen Weiterbildungstagen 2019" in Dornach wurde ich zu einem Workshop in Stop-Motion Animationstechnik eingeladen, um Waldorflehrern zu zeigen, wie sie diese Technik im Unterricht anwenden können. Mein Ziel war es, verschiedene Varianten dieser Technik zu zeigen. Also bildeten wir kleine Gruppen, um verschiedene Filme zu machen. Wir haben in sehr unterschiedlichen, aber auch sehr kreativen Gruppen zu diesem Thema zusammengearbeitet.
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In diesem Artikel beschreibe ich die Themen, die diskutiert und bearbeitet wurden, und ich zeige, wie geeignet diese Technik für den Übergang von der analogen zur digitalen Medienpädagogik an Waldorfschulen ist.
Warum eignet sich die Stop-Motion Animationstechnik als Einstieg in die kreative und aktive Medienarbeit an einer Waldorfschule?
Wenn wir Medienkompetenz als Prozess auf dem Weg zur Reife betrachten, muss dieser Prozess mit analogen Medien wie Text, Bildern und Symbolen und anderen künstlerischen Medien beginnen. Die ersten Schritte zur Medienkompetenz werden in einem weitgehend medienfreien Umfeld in jungen Jahren unternommen. Der Begriff der Medienreife impliziert einen Prozess, durch den ein Schüler reif wird für die Nutzung digitaler Medien. Man erlangt aber diese Reife nicht einfach durch den Einsatz von Medien, wichtig sind dagegen auch Unterstützung und Ermutigung bei der richtigen Nutzung.
Bei der Reife geht es darum, autonomer und eigenverantwortlicher zu werden. Paula Bleckmann (1) hat Medienreife in erster Linie als die Fähigkeit einer Person definiert, selbstständig zu entscheiden, wie lange, auf welche Weise und zu welchem Zweck sie Bildschirmmedien nutzt. In den Waldorfschulen wird viel für die Medienreife getan, vor allem weil die ersten sieben Schuljahre meist bildschirmfrei sind. Die intensive Nutzung der Hände und des ganzen Körpers bei sinnvollen Aktivitäten bildet die Grundlage für die Entwicklung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Edwin Hübner (2) bezieht sich auf diese ersten Jahre eines Kindes als eine Zeit ohne Bildschirmmedien, in der direkte und indirekte Medienbildung stattfinden kann.
Die indirekte Medienpädagogik ermöglicht es den Kindern, die notwendigen Fähigkeiten für den erfolgreichen Umgang mit der Welt der Medientechnik zu entwickeln, indem sie zunächst physische und taktile (haptische) Erfahrungen sammeln. Nach der indirekten Medienerziehung ermöglicht die direkte Medienerziehung digitale Medien sinnvoll und unabhängig zu nutzen. Obwohl die indirekte Medienbildung in der Zeit des Klassenlehrers weitgehend ohne digitale Medien erfolgt, ist sie dennoch eine Vorbereitung auf die direkte Medienbildung. Dann ändert sich die Medienbildung wenn die Schüler offensichtlich bereit sind, langsam mit digitalen Medien zu beginnen. Dies kann die Zeit sein, mit der Stop-Motion Animationstechnik anzufangen.
Die Stop-Motion Animationstechnik umfasst sowohl analoge als auch digitale Medienausbildung, so dass diese Technik besonders für den Übergang von der analogen zur digitalen Medienarbeit geeignet ist. Der Lehrer kann entscheiden, ob er mit deutlich mehr analoger Arbeit und weniger digitaler Arbeit beginnen möchte. Der Idee der Medienreife folgend müssen die Schülerinnen und Schüler zunächst mit eigenen Händen etwas schaffen. Dies kann z.B. das Modellieren der Charaktere für den Film mit Ton oder mit Papier oder anderem Material sein. Auch der Hintergrund muss gestaltet werden, und während all dies geschieht, entsteht und wächst die Geschichte.
Diese Methode ist ab der 6. Klasse geeignet und meiner Erfahrung nach gibt es keine obere Altersgrenze. Je jünger die Schüler sind, desto handwerklicher ist ihre Gestaltungsmethode, wie z.B. das Modellieren mit Ton. Je älter die Schüler sind, desto abstrakter kann der Produktionsprozess sein. Die beiden hier gezeigten Beispiele, die beide von Lehrern während des Workshops erstellt wurden, zeigen die Möglichkeiten. Der Film mit der Kreide auf der Tafel wurde nur mit Charakteren gedreht, die im Raum waren. Dadurch wird der Produktionsprozess wesentlich abstrakter. Die Schüler können auch selbst Charaktere im Film werden. So können beispielsweise soziale Themen in einem anderen Medium bearbeitet werden.
Nach Abschluss der Kreativ- und Bauphase kommt die digitale Technologie mit der Kamera zum Tragen. Die Aufnahme aller Fotos - in der Regel zwischen 100 und 300 Fotos - erfordert viel Konzentration, ebenso wie die anschließende Eingabe in das Computerprogramm. Dies zeigt verständlich, wie ein Film funktioniert und wie viel Arbeit in einen Film/Videoclip steckt und schafft so auch Respekt vor der Machen eines Films. Der Prozess zeigt, dass dies viel mehr Arbeit ist, als es auf YouTube aussieht.
Ein Leitprinzip für die aktive Medienarbeit ist die Betonung der Produktion von Bildorientierung. Darüber hinaus sollte die Medienarbeit in die Themen des jeweiligen Klassenlehrplans integriert werden. Das Alter, die Entwicklung und die Erfahrung der Schüler müssen berücksichtigt werden. Die Stop-Motion Animationstechnik kann diese Aspekte erfüllen. Um mit einer sehr praktischen Anmerkung zu schließen: Ein Stop-Motion-Animationsfilm erfordert kein Medienlabor - dies kann in jedem Klassenzimmer erfolgen.
Julia Kernbach arbeitet mit Kindern im Museum Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf mit analogen und digitalen Medien, wie zum Beispiel Stop-Motion-Filmen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der aktiven Nutzung von Medien, sei es digital oder analog. Kernbach ist Teil der Arbeitsgruppe "Medienpädagogik" an der Waldorfschule ihrer Kinder in Düsseldorf. Sie arbeitet auch an Waldorfschulen mit Eltern und Pädagogen der Medienpädagogik und ist ein REAL DABEI-Coach für Präventionsprogramme in Kindergärten und Grundschulen, um Kindern, Pädagogen und Eltern zu helfen, Medien kritisch und risikofrei zu nutzen.
Literatur
(1) Bleckmann, P. (2012). Medienmündig. Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen. Stuttgart: Klett- Cotta.
(2) Hübner, E. (2005). Anthropologische Medienerziehung, Grundlagen und Gesichtspunkte. Frankfurt/ Main: Peter Lang
(2) Hübner, E., (2015). Medien und Pädagogik. Gesichtspunkte zum Verständnis der Medien, Grundlagen einer anthroposophisch- anthropologischen Medienpädagogik. Stuttgart: edition Waldorf
Weiterführende Literatur
Struwwelpeter 2.0.(2015).Medienmündigkeit und Waldorfpädagogik. Bund der Freien Waldorfschulen.
Levin, Diane E. (2013). Beyond Remote Controlled Childhood:Teaching Young Children in the MediaAge. Washington: National Association for the Education of Young Children.
Schell, F. (2005). Aktive Medienarbeit. In: Hüther, J., Schorb, B. (Hrsg.). Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed.
Hattie, J., Zierer, K. (2016). Kenne deinen Einfluss! „Visible Learning“ für die Unterrichtspraxis. Baltmannsweiler: Schneider.